Unser Tastsinn bzw. Berührungen sind wesentlich für unsere Entwicklung, für unser Wohlbefinden und für unsere körperliche und seelische Gesundheit. Mit langsamer und sanfter Berührung haben wir Yogalehrer:innen eine kraftvolle Ressource zur Verfügung, die wir im Unterricht einsetzen können.

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Es beginnt im Mutterleib

Der Grundstein dafür wird – wie für so Vieles – bereits pränatal gelegt. Der Tastsinn entwickelt sich sehr früh. Tasten und Berühren gehört zu den frühesten Informationen, die im Gehirn verarbeitet werden können. Schon im Mutterleib lernt der Fötus, dass er mit Berührung Stress reduzieren kann und zwar, in dem er sich im Gesicht berührt. Dieses frühe „learning“ wenden wir im weiteren Verlauf unseres Lebens angeblich bis zu 400 – 800 Mal pro Tag an. So oft berühren wir uns im Gesicht, vor allem in Stress-Situationen, z. B. bei Prüfungen.

Nach der Geburt ist der unmittelbare Körper- und Hautkontakt zur Mutter, das sogenannte „Bonding“, sehr wichtig. Forschungen zu Folge hat dies sowohl Kurzzeit- als Langzeitwirkungen für Mutter und Kind, z. B. trägt es wesentlich zur Entstressung nach der Geburt bei.

Wie wir in der Kindheit berührt, gehalten und getröstet werden, vor allem von der Mutter, beeinflusst unsere Entwicklung bis ins Erwachsenenalter, die Entwicklung von Vertrauen, Sicherheit und unserer Bindungsverhalten – gemeint ist, wie gut wir in weiterer Folge, besonders als Erwachsene, Bindungen mit anderen Menschen aufbauen und aufrechterhalten können, wie sicher gebunden wir uns fühlen.

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Was passiert, wenn wir berührt werden?

Auf angenehme, gewollte Berührung reagieren wir mit einem Hormoncocktail, den kein Medikament auf der Welt vereint: Ocytocin, das berühmte Glückshormon, Dopamin, Serotonin, um nur einige zu nennen. Die Wirkungen sind vielfältig: Beruhigung, Entspannung, Erdung, Sicherheit, Geborgenheit, Verbundenheit. Durch Berührung, die aus dem Herzen kommt, spürt man den anderen, aber auch sich selbst. Sie bringt uns in den gegenwärtigen Moment.

Berührung und Gefühle – wie hängt das zusammen?

Die Haut ist unser größtes Organ und die unmittelbare Verbindung zur Außenwelt. Einfach gesagt, passiert Folgendes, wenn wir berührt werden: An der Haut befinden sich Millionen von Rezeptoren, die die „Beschaffenheit“ einer Berührung wahrnehmen und diese Signale über die Nervenbahnen an das Gehirn schicken. Über spezielle Nervenverbindungen wird die Berührung auch emotional bewertet: Fühlt sie sich gut an oder nicht.

Heilmittel Berührung

Berührung ist heilsam, wobei das nicht meint, dass durch die Berührung schwere Krankheiten geheilt werden. Vielmehr werden durch die positiven Auswirkungen von Berührung die Selbstheilungskräfte gestärkt, sodass der Körper besser mit schwierigen Situationen und Krankheiten umgehen kann. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an klinischen Studien, die die positive Wirkung von therapeutischen Berührungstechniken darlegen, etwa in der Onkologie, Kardiologie, in der Chirurgie und der Psychiatrie. Berührung wirkt sowohl prä- als auch postoperativ. Daher gibt es gibt bereits Rufe nach eine Berührungsmedizin.

Die Fähigkeit, heilsam zu berühren, ist jedem Menschen gegeben. Im Rahmen der nonverbalen Kommunikation berühren wir uns oft, unbewusst: Wir legen zur Bestärkung oder zum Trost die Hand auf die Schulter, wir umarmen uns aus Zuneigung. Studien zeigen, dass schon kleine kurze Berührungen etwas bewirken, zB ein Händedruck, wenn die Berührung mit einer bestimmten Qualität passiert.

Die Qualitäten von Berührung

Was macht eine Berührung angenehm? (nach Tobias Frank www.thaiyoga.de)

  1. Achtsamkeit: Sei im Hier und Jetzt präsent.
  2. Spüren: Komme ins Spüren, indem du dich mit deinem Gefühl und deiner Intuition verbindest.
  3. (Hin)gabe: Sei ganz bei der:dem Empfänger:in, gib ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Wer diese Prinzipien verinnerlicht und in der Yogastunde abruft, kann heilsame Berührung in den Yogaunterricht einfließen lassen.

Die Kraft der Berührung

Berührung bis ins hohe Alter

Berührung ist in allen Lebensphasen unerlässlich für unsere körperliche und seelische Gesundheit. Besonders im Alter, wenn die Sinne wie Hören und Sehen langsam schwinden, kommt der Berührung eine ganz besondere Bedeutung zu, zum Beispiel in der Pflege alter Menschen. Hautkontakt stellt nämlich die Verbindung zum anderen her.

Wer in einer Partnerschaft bzw. Familie lebt, mag hier Vorteile haben. Das Singledasein ist oft mit Berührungsarmut verknüpft. Wer alleine lebt, kann sich beispielsweise mit einer Massage durch eine andere Person oder auch durch eine Selbstmassage etwas Gutes tun: Nach dem Bad ausgiebig eincremen und die Creme ganz langsam einmassieren. Aus dem Ayurveda ist die schöne Technik der Ölmassage bekannt und die kann man sich auch selbst angedeihen lassen. Eine Kopfmassage beruhigt die Gedanken, eine Fußmassage mit Sesamöl vor dem Schlafengehen (die Füße kommen ohnehin immer zu kurz), wirkt schlaffördernd.

Good to know für Yogalehrer:innen

Zusammenfassend ein paar Impulse:

Jede:r kann heilsam berühren
Intuitiv wissen wir, wie wir tun, wenn wir uns selber oder unserem Gegenüber eine wohltuende, tröstende oder aufmunternde Berührung schenken wollen.

Weniger ist mehr
Wenn ich von Berührung spreche, dann meine ich keine komplizierten Massagegriffe oder -techniken, sondern einfaches Handauflegen und verweilen. So bekommt der Körper das Signal, dass er loslassen und sich mehr auf die jeweilige Position einlassen kann. Die Grenzen zum Adjusten sind schwimmend.

Schon kleine, kurze Berührungen wirken
Nicht nur lange Massagen bewirken etwas, schon kleine Berührungsreize bringen nachweislich psychologische Prozesse in Gang.

Was mir guttut, muss bei meinem Gegenüber nicht unbedingt dieselbe Wirkung haben
Ein Beispiel dafür ist der Kopf. Nicht jede:r mag dort berührt werden. Und es gibt Menschen, z. B. mit Gewalt- bzw. Traumaerfahrung, für die Berührung nicht positiv besetzt sein kann.

Die Abfrage zu Beginn der Stunde, ob es in Ordnung ist, berührt zu werden, sollte daher fixer Bestandteil jeder Einheit sein. Traumasensibles Yoga folgt eigenen Regeln und sollte nur mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung unterrichtet werden.

TIPP: Wenn du in der Klasse auf der sicheren Seite sein und trotzdem Berührung in die Yogastunde einbauen willst, leite doch zu Beginn oder am Ende eine kurze Selbstmassage-Routine an. Kopf, Nacken, Gesicht, Hände, Arme und Füße eigenen sich dazu besonders. Deine Schüler:innen werden es mögen und überrascht sein, wie sie sich selber etwas Gutes tun können.

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Asanas, die sich gut mit Berührungen kombinieren lassen

Prinzipiell eignet sich der yinnige Teil der Praxis optimal für Berührungen. Ich habe gute Erfahrungen mit folgenden Positionen:

  • Schneidersitz
  • Kind
  • Liegender Schmetterling
  • Krokodil
  • Bauchentspannungslage
  • Endentspannung – Savasana ist die König:innendisziplin für Berührung. Sie eignet sich besonders gut für achtsame Berührungen.

Hast du Lust bekommen, mehr Berührung in die Welt zu bringen? Dann vertraue deinen Fähigkeiten und deiner Intuition und los geht’s!

Viel Freude dabei! 😊

Interview mit Christine zum Thema Berührung

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